Hilfe, ich habe zu viel Freizeit

Wer seine Arbeitszeit reduziert oder gar in den Ruhestand wechselt, hat das Gefühl, dass die Tage plötzlich mehr Stunden haben. Während die To-Do-Listen früher umfangreich waren und Aufgaben deshalb nicht selten unerfüllt bleiben mussten, gibt es nun nichts mehr zu tun. Zumindest nichts, was von außen erwartet wird. Es gilt, die eigene Zeit sinnvoll zu nutzen: Was mache ich denn mit meiner vielen Freizeit? Wie kann ich sie füllen?

„Was haben Sie früher gerne gemacht?“ Dies ist eine beliebte Frage, wenn es um den beruflichen  Wechsel geht. Die gleiche Frage sollten wir uns auch stellen, um herauszufinden, an welche Hobbys wir anknüpfen können und wollen.

Eine Liste erstellen

Schreibe unsortiert auf, was du als Kind oder Jugendliche in deiner Freizeit gerne gemacht hast. Hast du die Haarbürste als Mikrofon in die Hand genommen und dir vorgestellt, du stehst singend auf der Bühne? Hast du kleine Geschichten geschrieben, etwas aus Holz geschnitzt, Gitarre gelernt? Hast du begeistert in der Küche oder im Garten geholfen? Was war es bei dir?

Schätze im Schrank und im Keller

Mein roter Faden sind Handarbeiten. Als junges Mädchen beschenkte ich an Weihnachten alle in der Familie (auch die entfernteren Verwandten) mit Selbstgemachten. Später nahm ich mir abends, wenn die Kinder endlich im Bett lagen, gerne noch eine Handarbeit vor. Was für ein gutes Gefühl, etwas geschaffen zu haben, was ich am nächsten Tag anschauen konnte! Etwas, was Bestand hatte, im Gegensatz zu den sich täglich wiederholenden Hausarbeiten.

 

 

 

 

 

 

Die Selbständigkeit dann aber füllte meine Tage und Abende aus, es blieb keine Zeit mehr für kreatives Schaffen. Doch das Material dazu, die Garne und Stoffe, warteten geduldig auf eine Wiederbelebung. Beim Stöbern im Keller bin ich auf Bilder gestoßen, die ich vor dreißig Jahren gestickt oder gewebt habe. Jetzt war meine Leidenschaft wieder entfacht.

Die Bremse lösen

Schau‘ deine Liste an und frage dich, warum du mit diesem Hobby aufgehört hast? Lag es wirklich an der fehlenden Zeit oder gab es andere Gründe? Leider zerstören häufig Stimmen vor außen unsere Lust, etwas zu tun. Was wurde dir gesagt? Fanden deine Eltern, dass du kein Talent hast? Hat dich ein Lehrer vor der ganzen Klasse bloß gestellt? Hast du dich mit anderen verglichen und bist zu dem Schluss gekommen, dass du an deren Ergebnis nie herankommen wirst? 

Ganz gleich, was dich damals aufgehalten hat, du bist jetzt in einem Alter, in dem du dich darum nicht mehr scheren solltest. Gönn dir einen neuen Versuch und spüre nach, ob du deine Kreativität nicht wieder aufleben lassen kannst. Vor allem vergleiche dich nicht. Gib deiner Persönlichkeit Raum, erlaube dir deinen individuellen Ausdruck. Auch zwingt dich niemand, andere teilhaben zu lassen, was du tust. Du alleine entscheidest, ob du dazu bereit bist, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist und auch, welche Menschen du einweihst. Sei wählerisch, damit deine Lust nicht wieder den überkritischen Stimmen zum Opfer fällt.*

Was mache ich damit?

Eine meiner Freundinnen hatte an einem Malkurs teilgenommen. Die beiden dort entstandenen Bilder schmückten nun ihren Essplatz. „Das reicht“, sagte sie, „mehr brauche ich nicht. Mit Malen höre ich jetzt auf.“ Eine bestimmte Anzahl zu erstellen, ist nicht der Sinn eines Hobbys. Beim Hobby geht es um den Prozess des Tuns, um die Freude, die wir empfinden, weil wir uns damit beschäftigen. Um die Muße, sich einer Sache endlich ausgiebig widmen zu können. Und auch darum, seine Fertigkeiten weiterzuentwickeln.

Dennoch können Ideen auftauchen, was wir mit dem Erschaffenen machen wollen. Vor einem Jahr z.B. habe ich mich jeden Morgen eine Stunde dem Zeichnen und Malen gewidmet. Ich wollte wieder einzutauchen in verschiedene Techniken und lernen, wie man Darstellungen vereinfacht. Der Gedanke, dass Kinder daran Freude haben würden, kam erst danach. Es war dann der Impuls, die beiden Skizzenbücher unter dem Titel „Das Alphabet in Bildern“ zu veröffentlichen. Wäre dies das ursprüngliche Ziel gewesen, hätte mich das unter sehr Druck gesetzt. Vermutlich hätte nie damit begonnen.

 

 

 

Variation 1 (Link im Bild)

 

 

 

Variation 2 (Link im Bild)

Was ich mit meinen neuen Stick- und Webbilder machen werde?

  • sie in einer kleinen Galerie im Wohnzimmer aufhängen
  • eigene Kleidung und die der Enkel individuell verzieren
  • kleine Geschenke daraus machen
  • Grußkarten verzieren

Und wer weiß, was noch kommt.

Weitergeben macht Freude

Manches Handwerk, manches Hobby, was wir früher gepflegt haben, ist heute nicht mehr „in“. Gerne würde ich meinen beiden Enkelinnen das Wissen weitergeben. Vielleicht haben sie Lust, mit der Fülle an Material, das ich besitze und das eines Tages hinterlassen werde, ihre Kreativität auszuleben. Das wäre meine größte Freude.

* Ich trau mich hier, meine kleinen Werkstücke zu zeigen, die andere bestimmt noch besser machen. :-)