Heute einmal kein eigener Beitrag, sondern ein Gedicht
von Ricardo Gondim (São Paulo, Brasilien)
Ich zählte meine Jahre und entdeckte, dass mir weniger Lebenszeit bleibt als die, die ich bereits durchlebte.
Ich fühle mich wie jenes Kind, das eine Packung Süßigkeiten gewann: Die ersten aß es mit Vergnügen, doch als es merkte, dass nur noch wenige übrig waren, begann es sie wirklich zu genießen.
Ich habe keine Zeit mehr für unendliche Konferenzen, wo man Statuten, Normen, Verfahren und interne Vorschriften diskutiert; wissend, das nichts erreicht wird.
Ich habe keine Zeit mehr, absurde Menschen zu ertragen, die ungeachtet ihres Alters nicht gewachsen sind.
Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeiten zu kämpfen.
Ich will nicht in Meetings sein, wo aufgeblähte Egos aufmarschieren.
Ich vertrage keine Manipulierer und Opportunisten.
Mich stören die Neider, die versuchen, Fähigere in Verruf zu bringen, um sich ihrer Stellen, Talente und Erfolge zu bemächtigen.
Die Menschen, die keine Inhalte diskutieren, sondern kaum die Titel.
Meine Zeit ist zu knapp, um Überschriften zu diskutieren.
Ich will das Wesentliche, denn meine Seele hat es eilig.
Ohne viele Süßigkeiten in der Packung...
Ich möchte neben Menschen leben, die sehr menschlich sind.
Die über ihre Fehler lachen können.
Die sich auf ihre Erfolge nichts einbilden.
Die sich nicht vorzeitig berufen fühlen.
Die nicht vor ihren Verantwortungen fliehen.
Die die menschliche Würde verteidigen.
Und die nur an der Seite der Wahrheit und Rechtschaffenheit gehen möchten.
Das Wesentliche ist das, was das Leben lohnenswert macht.
Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die das Herz anderer zu berühren wissen.
Menschen, denen die harten Stöße des Lebens beibrachten zu wachsen mit sanften Berührungen der Seele.
Ja ... ich habe es eilig ... um mit der Intensität zu leben, die nur die Reife geben kann.
Ich versuche, keine der Süßigkeiten zu verschwenden, die mir noch bleiben.
Ich bin sicher, dass sie köstlicher sein werden als die, die ich bereits gegessen habe.
Mein Ziel ist, das Ende zufrieden zu erreichen - in Frieden mit mir, meinen Liebsten und meinem Gewissen.
Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn du merkst, dass du nur
Meine Frage:
Was löst dieses Gedicht bei dir aus? Wird es Auswirkungen auf dein Leben haben?
Habe seid langem nicht mehr so ein schönes Gedichte gelesen.
Lg Mona
Danke, das freut mich. :-)
Das Gedicht gefällt mir sehr gut, bis – ja, bis auf den Titel. Das mit der „Eile“ …
Meine Seele hat es nicht mehr eilig.
Er schreibt:
„Ich fühlte mich wie jenes Kind, das eine Packung Süßigkeiten gewann:
Die ersten aß es mit Vergnügen, doch als es merkte,
dass nur noch wenig übrig waren, begann es sie wirklich zu genießen.“
Die verbleibenden Jahre genießen – ja!
Doch zum wirklich genießen gehört Ruhe und Langsamkeit. Die Süßigkeiten nicht mit einem großen Biss zu verschlingen und runter zu schlucken, sondern – die Süßigkeit rundherum betrachten, einen kleinen Biss zu machen, die Augen zu schließen und das Schmelzen auf der Zunge und die sich ausbreitende Süßigkeit genießen …
Zeit lassen – in allem - das braucht es.
Er schreibt:
„Ich zählte meine Jahre und entdeckte,
dass mir weniger Lebenszeit bleibt als die, die ich bereits durchlebte.“
Ich weiß nicht, in welchem Alter Andrade das Gedicht geschrieben hat. Ich kenne sie die Zeit, als ich merkte – „dass mir weniger Lebenszeit bleibt als die, die ich bereits durchlebte“ – genau so habe ich es auch beschrieben in meinen Texten über das Altern. Und es setzte mich erst mal unter Stress. Wow – nur mehr so wenige Jahre …
Doch mit der Zeit kehrte Ruhe ein – Ruhe trotz, oder vielleicht genau wegen der wenigen Jahre …
Welchen Titel ich dem Gedicht geben würde?
Vielleicht: Das Wesentliche leben …
Das Gedicht wird sehr oft Ricardo Gondim zugeschrieben. Es stammt jedoch von Mario de Andrade (San Paolo 1893 – 1945) Brasilianischer Dichter, Schriftsteller, Essayist und Musikwissenschaftler
Danke Monika für diese Ergänzung. Deine Gedanken dazu habe ich sehr gerne gelesen und ich bin sicher, auch die Besucher der Seite werden davon inspiriert sein. :-)