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Eine gelingende Beziehung braucht Nähe und Distanz

Frischverliebte haben nur noch Augen und Ohren füreinander. Sie tauchen ab und sind für Freunde nicht mehr zu sprechen.  Sie wollen jede Minute miteinander verbringen und können kaum die Hände voneinander lassen. Langjährige Paare wiederum wissen oft gar nicht mehr, warum sie überhaupt noch eine Wohnung miteinander teilen. Die richtige Balance zu finden zwischen Nähe und Distanz und sie ständig neu auszutarieren, ist eine Herausforderung für jedes Paar, egal in welcher Phase der Beziehung es sich befindet.

Äußere Nähe

Der Traum der meisten Paare ist die gemeinsame Wohnung. In diesem Nest der Zweisamkeit kann ungestört gelebt, gekocht und gelacht werden. Niemand stößt sich daran, wenn ganze Abende auf dem Sofa gekuschelt und der Sonntag bis zum Nachmittag im Bett verbracht wird. Das Beisammensein wird in vollen Zügen genossen: Man steht gemeinsam im Bad und erledigt die Morgentoilette und in manchen Fällen sogar das kleine oder große Geschäft auf der Toilette. Schließlich gehören wir jetzt zusammen.

Doch so viel Nähe ist nicht jedermanns Sache. Ein Partner möchte vielleicht etwas mehr Intimität und ist nicht bereit, alles zu teilen. Ihm fehlt der Rückzugsort in der gemeinsamen Wohnung. Ein Platz, an dem er allein sein kann, in Ruhe nachdenken, lesen, entspannen oder auch telefonieren kann.

Innere Nähe

Wer seinen Partner, seine Partnerin an den eigenen Wünschen, Träumen, aber auch seinen Ängsten teilhaben lässt, erzeugt seelische Nähe. Bleiben solche Themen der Beziehung vorbe- halten, wird dieses Sich-Öffnen zu einem starken Band, das die Beziehung zusammenhält.

Wer wesentliche Bereiche seines Lebens ausklammert,  sein früheres Leben tabuisiert oder persönliche Sorgen lieber für sich behält, vergrößert die Distanz. Genauso wie derjenige, der am Leben, den Hobbys und Freunden seiner Partnerin/ seines Partners kein Interesse zeigt.  

Ihre Wünsche - seine Wünsche

Schön wäre es, wenn die Bedürfnisse nach Nähe und Distanz in einer Partnerschaft ausgewogen sein könnten. Doch meist sind die Vorstellungen von 'richtiger' Nähe und Distanz unterschied- lich. Spannungen in der Beziehung sind die Folge. Jeder Mensch hat sein eigenes Maß. Frauen wünschen sich oft mehr Nähe, während Männer ihre Freiheit und Eigenständigkeit schätzen und verteidigen. Erfahrungen in der Kindheit prägen ebenso wie Altlasten aus früheren Beziehungen.

Auch im Laufe einer Partnerschaft ändern sich die Wünsche nach Nähe und Abstand. Mal fühlt man sich mehr verbunden, mal weniger. In der Regel ist das kein Grund zur Sorge. Unbearbeitete Kränkungen und Enttäuschungen allerdings vergrößern auf Dauer die Distanz, positive Erlebnisse, gute Kommunikation und gemeinsames Lachen bringen mehr Nähe. Wichtig ist, achtsam zu sein und negativen Entwicklungen frühzeitig entgegenzusteuern.

Ein Zuviel schadet

„Ich kann ohne dich nicht leben, ich brauche dich!“ Was wie eine Liebeserklärung klingt, ist in Wirklichkeit eine Fessel. Es ist der Versuch, den anderen auf Dauer fest an sich zu binden. Eifersüchtig wird der Alltag des anderen überwacht durch ständiges Hinterhertelefonieren, mit laufenden SMS „wo bist du gerade?“ oder mit der Frage „Was denkst du?“ Wer klammert, den Partner keinen Schritt mehr alleine machen lässt, nimmt ihm die Luft. Wer zu viel Nähe fordert, erreicht oft das Gegenteil: Der Partner flieht. Die Liebe ist ein Kind der Freiheit.

Stellen Sie sich vor, Sie sind mit einem Gummiband mit dem Partner verbunden: Sie sollten beide die Verbindung spüren, doch sich dadurch nicht einengt fühlen. Wer dem anderen Raum lässt, macht es ihm möglich, zu kommen, freiwillig. Wer zu stark am Band zieht oder es zu kurz hält, schlägt den anderen in die Flucht.  

Unterschiedliche Bedürfnisse in Einklang bringen

Eine gelingende Partnerschaft braucht Nähe und Austausch. Auch wenn es möglich ist, über längere Zeit per Telefon und Mail in Kontakt zu bleiben, sind doch persönliche Begegnungen nötig, die  durch gemeinsame Unternehmungen, ein Stück Alltag und körperliche Berührungen das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Übereinstimmung stärken.

Persönliche Entwicklung und Selbstentfaltung braucht Abstand und Zeit. Zeit, sich den eigenen Freunden und Interessen zu widmen oder auch nur, um sich zurückzuziehen, wieder zu sich selbst zu finden. Ein Rückzugswunsch ist ein Grundbedürfnis und bedeutet nicht, dass die Beziehung in Frage gestellt wird. Diejenigen, die kreativ schaffen, brauchen diesen Freiraum ganz besonders.

Doch ziehen Sie sich nicht wortlos zurück und werden Sie nicht ungehalten, wenn der Partner Ihre Bedürfnisse nicht von alleine erkennt. Kommunizieren Sie klar, was Sie sich wünschen. 

Sprechen Sie mit Ihrem Partner/ Ihrer Partnerin über Ihre persönlichen Bedürfnisse und treffen Sie Vereinbarungen:

  • Darf ich allein sein wollen, ohne dass du dich zurückgestoßen fühlst oder gekränkt bist?
  • Welchen Rückzugsort gibt es für jeden von uns?
  • Wie viel Nähe brauche ich, was ist mir zu viel?
  • Welche Ängste sind mit großer Nähe, großer Distanz  für mich verbunden?
  • Bin ich bereit, deine Wünsche zu respektieren?
  • Können wir gemeinsame Zeiten für Nähe und Distanz vereinbaren?
  • Können wir Signale finden, wann wir uns Nähe oder Abstand wünschen?

Klarheit in diesen Fragen trägt viel zur Stabilität und guten Atmosphäre in einer Partnerschaft bei. Auch in Beziehungen, die in die Jahre gekommen sind. Es ist nie zu spät. :-)

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3 Gedanken zu „Eine gelingende Beziehung braucht Nähe und Distanz

  1. bibabu44

    Das Austarieren von Nähe und Distanz in einer Partnerschaft ist unbestritten die Herausforderung unserer Zeit für Menschen, die in ihrer Entwicklung nicht stehen bleiben, sondern weiterkommen wollen. In der Theorie ist dazu bereits reichlich geschrieben worden. Nur wie das im praktischen Alltag aussehen kann, da sucht man vergebens Beispiele. In der Theorie ist davon die Rede, dass es dazu beispielsweise eigener Freundeskreise wie auch eines gemeinsamen Freundeskreises bedürfe, dass sich gemeinsames und eigenständiges Leben mehr oder weniger die Waage halten sollen. Aber wie das geht, das wissen wir nicht.

    Hier spielt auch die Frage des Alters und der bisherigen Vernetzung mit hinein, ebenso die Frage, gemeinsames oder eigenständiges Wohnen? Und wenn hier die Vorstellungen weiter auseinanderliegen, wie groß ist dann jenseits der 60 die Chance, dass man seine Vorstellungen loslassen und sich auf Neues einlassen kann? Liest man z.B. bei E.M. und W. Zurhorst in "Liebe dich selbst" dann scheint alles ganz easy: Von Freundeskreisen und von Distanz ist da nirgends die Rede. Alles läuft auf ein, wenn auch anspruchsvolles Wir hinaus.

    Eine Auseinandersetzung mit diesem Ansatz sucht man vergeblich.

    Es gibt also noch viel zu tun. Wer schiebt das mit an?

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    1. ukraemer

      Neues auszuprobieren fällt sicher Paaren leichter, die im späteren Alter zusammenkommen und wissen, dass das Gelingen der Beziehung und die Lebendigkeit der Partnerschaft auch davon abhängt, inwieweit man sich ein Eigenleben gönnt und sich dies auch gegenseitig zugesteht.

      Wenn langjährige Paare miteinander in den dritten Lebensabschnitt gehen, jenseits beruflicher oder familiärer Aufgaben, sollten sie ihre bisherigen Gewohnheiten und Rituale auf den Prüfstand stellen. Dies gelingt, wenn sich jeder seine Wünscher und Träume eingesteht und diese in einem offenem Gespräch dem anderen mitteilt. Der Wunsch nach Distanz heißt nicht automatisch, sich von der Beziehung abzuwenden, sondern drückt aus, dass Persönlichkeitsanteile gelebt und entwickelt werden wollen, die bisher brach lagen oder für es keine Zeit gab. Wenn nicht jetzt, wann dann?

      Die Generation, um die hier es geht, hat die 68er Jahre erlebt und vielleicht auch mitgestaltet. Warum sollten sie nicht jetzt auch neue Formen des Zusammenlebens und der Partnerschaft zu kreiieren? Und den Mut haben, sie zu leben, auch wenn in weiten Teilen der Gesellschaft noch anderes üblich ist. Dies schließt die Frage des gemeinsamen oder getrennt Wohnens genauso ein wie die Freiheit, eine Reise alleine zu machen oder mit Menschen zu verkehren oder ein Hobby zu pflegen, woran der Partner kein Interesse hat oder dies sogar ablehnt.

      Sich auf Neues einzulassen, ist ein Lebenselixier für jeden Einzelnen und eine Bereicherung für die Partnerschaft. Sich freiwillig zu beschränken aus das, was den gemeinsamen Nenner ausmacht, frustriert auf Dauer und lässt die Beziehung verkümmern.

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  2. bibabu44

    Kann ich so unterschreiben: Das A und O dafür, den Eros in der Liebe nicht eingehen zu lassen, ist das Herausbringen dessen, was an Gaben in uns ist; denn dazu ist es bei uns so angelegt. Use it or loose it. Und so gibt es ein ganzes Leben lang auf beiden Seiten immer Neues, bisher Unbekanntes zu entdecken. Das einzugehende Risiko ist gering und gegenüber der Sicherheit, mit der der Eros im anderen Fall erstickt und die Liebesbeziehung in eine Abhängigkeitsgeschichte umschlägt, nicht der Erwähnung wert. Letztendlich eine Frage der Klugheit.

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